Sollen wir Frauen zu „Männern“ werden, um mühelos die Karriereleiter hoch zu klettern?

Oder ist, wie man von so manchem Business-Guru seit Jahren hört, die Zukunft ohnehin weiblich? Werden sich die Männer bald nur noch Kooperation üben statt in Konkurrenz? Wird man einander freundlich zuhören statt sich selbst darzustellen? Wird man so viel soziales Gespür an den Tag legen, dass Konflikte vermieden werden können?

Das Geschäftsleben ist keine Kuschelecke – für niemanden

Mag schon sein, dass der Umgang in der Geschäftswelt nicht zuletzt durch die vermehrte Anwesenheit von Frauen freundlicher wird. Ich bezweifle jedoch stark, dass das Geschäftsleben jemals zu einer wirklichen Kuschelecke werden wird. Bis zu einem gewissen Grad wird dieser Bereich des Lebens, in dem es um Ressourcen und Positionen geht, immer auch von Konkurrenz, Machtkämpfen, Intrigen, Siegen und Niederlagen geprägt sein. Und damit werden Männer und Frauen wohl weiterhin zurechtkommen müssen.

Sollen wir uns von den Männern etwas abschauen?

Wahrscheinlich ist es für Frauen eine gute Idee, sich von den Männern das eine oder andere abzuschauen, denn immerhin haben uns die Burschen viele Jahrhunderte an Karriereerfahrung voraus.

Und manches, was sie so machen, ist ja auch richtig gut.

„Frau K. verhält sich wie ein Mann“

Ich unterhalte mich mit einer Abteilungsleiterin über die angespannte Atmosphäre in ihrer Abteilung. Den Anlass für die Unstimmigkeiten kenne ich nicht. Nach kurzer Erörterung sind wir uns einig: Der böse Tratsch und die Feindseligkeiten haben nicht unmittelbar mit der Arbeit zu tun, es geht um persönliche Animositäten. Wir gehen gemeinsam die einzelnen Mitarbeiterinnen durch – es sind ausschließlich Frauen –, die sich alle an den kleinen Intrigen zu beteiligen scheinen. Nur Frau K., die noch nicht lange im Unternehmen ist, wird nicht erwähnt. Was ist mit ihr? frage ich.

Frau K. macht da nicht mit, sagt die Abteilungsleiterin und setzt anerkennend hinzu: Frau K. verhält sich wie ein Mann.

Männer führen keine „Zickenkriege“

Interessiert frage ich nach, was das bedeutet. Frau K. beteilige sich nicht am Tratsch und am Zickenkrieg, erklärt die Abteilungsleiterin. Wenn jemand versuche, sie in die Sache hineinzuziehen, sage sie freundlich und bestimmt, man möge sie bitte in Ruhe lassen, sie habe zu arbeiten.

Ich bin ein bisschen verwundert, denn schließlich habe ich schon oft auch Männer streiten und kämpfen und mit falschen Karten spielen sehen. Ich auch, sagt die Abteilungsleiterin, aber wenn Männer kämpfen, dann geht es stets um etwas, um einen Job, um Macht, um Prestige, manchmal auch um die Befriedigung des Egos – was den aktuellen Streitereien unter den Frauen am nächsten kommt. Noch nie, so fährt sie fort, habe sie Männer Energie in Kämpfe verschwenden sehen, bei denen „nur“ ein schiefer Blick oder ein unbedachtes Wort der Auslöser war.

Männer kämpfen, wenn es um etwas geht

Tatsächlich entspricht dies auch meiner Erfahrung: Männer führen keine „Zickenkriege“. Sie lassen nebensächliche Dinge, zu denen etwa auch persönliche Sticheleien gehören, an sich abprallen und kämpfen nur, wenn es wichtig wird.

Männer sind hart im Nehmen

Generell sind Männer hart im Nehmen. Sie beklagen sich selten über die rauen Verhältnisse im Geschäftsleben. Was Frauen (zu Recht!) bitter aufstößt, nehmen Männer als part oft he game einfach hin, weil sie es so und nicht anders gelernt haben. Harte Arbeit, Überstunden, aber auch Unterordnung und Demütigung gehören für sie Berufsleben. Weil sie innerlich davon überzeugt sind, dass es keine Alternativen gibt als zu kämpfen und sich durchzubeißen, tun sie genau das.

Männer lieben den Wettkampf – und sind dabei nicht zimperlich

Männer bekämpfen einander und gehen anschließend eins trinken. Kürzlich habe ich eine solche Szene in einem Film gesehen: Da schlug der eine dem anderen (wegen einer Frau) die Nase blutig, und kurz darauf saßen sie miteinander biertrinkend auf einer Gartenmauer.

So ähnlich treiben sie es im Geschäftsleben auch, wenn auch im übertragenen Sinn und meist ohne Blut und blaue Flecken. Da sitzen sie in Meetings und bewerfen sich gegenseitig mit Hacken, dass es nur so kracht, doch einen Tag darauf beim Betriebsausflug saufen sie miteinander als wäre nie was gewesen. Oder es gibt da zwei, die einen Dritten loswerden wollen und im Hintergrund allerhand dafür tun. Der Betroffene weiß das und bildet dennoch beim jährlichen Skirennen der Branche mit den Beiden ein Team und verbringt gemeinsam mit ihnen sportliche Tage und feuchtfröhliche Nächte. Ein anderer, der ein paar Tage zuvor beim Aufsichtsgremium aufs Hinterhältigste angeschwärzt worden ist, und dies ebenfalls weiß, spielt auf der Fahrt zu einer Exkursion mit dem Anschwärzer friedlich Karten. Keine Frau würde dies jemals tun. Ich auch nicht, denn ich wäre durch solches Verhalten tödlich beleidigt.

Das gehört zum Spiel, sagt abends beim Weinglas der kluge Mann an meiner Seite und zuckt mit der Achsel. Es geht nicht gegen dich persönlich, also nimm es auch nicht persönlich, mahnt er mich immer wieder, und ist mit seinen Geschlechtsgenossen offensichtlich d’accord.

Man muss die Sache sportlich sehen, sagt er achselzuckend, als ich ihm von der Niederlage bei einer Ausschreibung berichte, über die ich zutiefst gekränkt bin.

Männer pflegen einen rüpelhaften Ton

Männer beflegeln einander im Spaß, und machen sich, etwa über ihre Glatzen oder ihre Bäuche, in einer Weise übereinander lustig. Oft habe ich mit Schrecken erwartet, dass aus so einer rauen Szene, die unter Frauen schier undenkbar wäre, ein ernsthafter Konflikt entsteht. Doch es ist niemals passiert. Was bei Frauen zu lebenslanger Todfeindschaft führen würde, gehört unter Männern offenbar zum “guten” Ton.

Männer akzeptieren Hierarchien

Männer scheinen, so habe ich oft beobachtet, keine Probleme damit zu haben, Anordnungen des Chefs entgegenzunehmen und ohne Murren ausführen, selbst wenn sie von der Sache nicht überzeugt sind. Ich hingegen kann (wie viele andere Frauen) bis heute meinen Mund nicht halten, wenn ich der Meinung bin, dass ein/e Vorgesetzte/r eine suboptimale Entscheidung getroffen hat, und handle mir damit nicht selten Irritation und Unmut ein. Wieder rät mir der weise Mann an meiner Seite, einfach zu tun, was die Vorgesetzten wollen. Warum musst du dir immer zusätzliche Verantwortung aufhalsen? fragt er, es geschieht halt mal etwas Falsches, na und?

Männer haben Seilschaften

Männer unterstützen einander, weil sie in derselben Partei oder Bruderschaft oder im selben Sportclub sind. Sie bringen einander in Position und in Positionen, und es spielt gar keine Rolle, ob man mit dem Betreffenden befreundet ist oder nicht. Man muss ihn nicht einmal sympathisch finden, ja nicht einmal persönlich kennen. Es genügt, dass er der „Seilschaft“ angehört.

Was der Kitt solcher Seilschaften ist, kann ich nur vermuten, denn als Frau bin ich ja kein Teil von ihnen. Indizien deuten darauf hin, dass Männer miteinander trinken, Witze reißen, auf den Golfplatz und in die Sauna gehen, über Politik und natürlich über das Geschäft und anstehende Postenbesetzungen und dergleichen reden. Persönliches wird, soweit meine Beobachtung, in der Regel nicht besprochen – mehr als einmal ist der weise Mann an meiner Seite von einem Treffen heimgekehrt ohne eine Neuigkeit aus dem Privatleben eines anderen, die ich längst aus anderer Quelle kannte, erfahren zu haben.

Nie und nimmer erzählen Männer einander von Schwierigkeiten, Problemen, Misserfolgen oder gar von persönlichen Verletzungen – sie wollen ja schließlich nicht vor den anderen als Schwächlinge dastehen. Stattdessen machen sie Nägel mit Köpfen, bahnen Geschäfte an, schließen Verträge ab. Sie wissen, dass im Berufsleben viel einzustecken ist, beugen sich ohne weiteres den bestehenden Hierarchien und konzentrieren sich im Umgang miteinander auf das Business. Sie fühlen sich sicher auf ihrem Terrain, sie werfen einander die Seile zu und nehmen die Jungen ganz selbstverständlich in ihren Club auf.

Frauen-Netzwerke funktionieren anders – funktionieren sie?

Auch Frauen gründen mittlerweile Netzwerke zu dem Zweck, einander kennenzulernen und zu unterstützen. Ich habe im Verlauf meines Berufslebens an vielen Treffen solcher Frauen-Netzwerke teilgenommen. Dort legten wir einander unsere Lebenswege dar, erzählten über unsere privaten Verhältnisse, berichteten von unseren Misserfolgen und von den Schwierigkeiten, die wir Tag für Tag zu meistern haben. Wir sprachen an was uns belastete, und beklagten die Machenschaften missgünstiger Kollegen, die Beleidigungen und Demütigungen durch Vorgesetzte, und generell den ganzen Ärger, der zum Berufsleben dazugehört.

Natürlich war meist nach wenigen Treffen klar, wer uns sympathisch war, und wer nicht, wen wir in Zukunft eventuell zur Seite stehen wollten, und wen wir unserer Unterstützung nicht für würdig erachteten. Abgesehen davon, dass nicht viele Posten zur Disposition standen, die wir einander hätten zuschanzen können, haben oft Konkurrenzdenken, Eifersüchteleien und die berühmte Frage, ob die für den Posten vorgesehene Frau es denn auch „kann“, die Haltung zueinander bestimmt.

Frauen-Netzwerke werden nicht ernst genommen

Abgesehen von einer gewissen Ineffektivität, die durch zu viel persönliches Engagement entsteht, werden weibliche Business-Zirkel überdies nicht sehr ernst genommen, und der kluge Mann an meiner Seite erklärt mir einen der Gründe: Eine Seilschaft, die sich offen darstellt oder gar eine Internetseite hat, ist lächerlich, sagte er, denn eine Seilschaft sei nur wirksam, wenn sie geheim bleibt. Männer reden nicht von Netzwerken und Seilschaften. Sie haben und nutzen sie.

Und er trifft eine weitere scharfsinnige Beobachtung: Frauen suchen Verbündete und Freundschaften, sagt er. Das ist gut und recht fürs Privatleben. Bei einer Seilschaft geht es jedoch um ganz etwas anderes, und Frauen sollten wirklich lernen, dies zu unterscheiden.

Männer lieben Macht

Frauen haben zu Macht oft ein zwiespältiges Verhältnis, während Männer sie offen lieben und gerne herzeigen. Ein großes Büro mit teuren Möbeln, ein dicker Firmenwagen, eine Sekretärin, die man mit ihrem Vornamen zu sich hereinruft – all das ist für viele Männer in Führungspositionen nicht nur selbstverständlich, es sind für sie auch äußere Zeichen, dass sie es geschafft haben. Und das Zurschaustellen von Insignien der Macht wird von der Umgebung gewürdigt. Sie werden tatsächlich wie Chefs behandelt.

Beide Geschlechter sollen voneinander lernen

Sollen wir Frauen, um im rauen Berufsleben Erfolg zu haben, also „männliche“ Verhaltensweisen aneignen?

Ja, bis zu einem gewissen Grad, sollten wir das. Wir sollten lernen, Privates und Geschäftliches zu unterscheiden. Wir sollten den Konkurrenzkampf zumindest teilweise als eine sportliche Angelegenheit sehen. Nach einer Niederlage sollten wir uns nicht in Wundenlecken und Rachesinnen ergehen, sondern aufstehen und unsere Energien auf das nächste Ziel richten. Wir sollten pragmatischer an die Dinge herangehen. Wir sollten einander, wenn es dem Gesamtziel nützt, ohne Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten unterstützen. Und so weiter.

Beide Geschlechter können voneinander lernen und so ihre Palette an verfügbaren Verhaltensweisen erweitern. Vielleicht kommt irgendwann den traditionellen Zuschreibungen „männlich“ oder „weiblich“ keine große Bedeutung mehr zu, das wäre uns allen zu wünschen.

IM NÄCHSTEN BEITRAG GEHT ES UM DIE VORBILDWIRKUNG VON FÜHRUNGSKRÄFTEN. ER WIRD KÜRZER SEIN ALS DIE DREI LETZTEN!