Die Temperaturen draußen übersteigen die 30 Grad-Marke, und in vielen Büros ist es trotz Klimaanlage heiß. Die Verlockung ist groß, sich möglichst vieler Schichten Kleidung zu entledigen. Vor allem Frauen greifen gerne zu leichten Sommersachen, die viel Haut unbedeckt lassen. 

Ob das im Geschäftsleben wirklich eine gute Idee ist?

Die Mentorin berichtet:

Ich sitze in einer Runde hochkarätiger Expertinnen und Experten in einem Sitzungsraum um ein vierkantiges Tisch-Ensemble, das in der Mitte offen ist. Unter den Tischen kann man die Beine der Leute sehen. Die Männer tragen lange Hosen wie immer, einige der Frauen auch. An den Füßen sieht man Halbschuhe oder Sneakers. Die Sakkos hängen lässig über den Sesseln.

Nicht alle der Frauen sind business-like gekleidet. Eine trägt ein Kleid mit Spaghettiträgern, unter dem die Träger ihres BHs hervorlugen. Ähnlich bei einer anderen mit einem Kleid mit hohen Armausschnitten, die die Schultern frei lassen. Eine dritte zeigt ein großzügiges Dekolleté, eine vierte trägt einen schlabbernden bunten Kaftan, wie man ihn von südlichen Stränden kennt. Eine hat Shorts an, die gerade mal bis an die Hälfte der Oberschenkel reichen. Dazu trägt sie ein trägerfreies Top, das sie alle paar Minuten ein bisschen hochzieht, damit es nicht verrutscht. Alle tragen Riemchenschuhe oder Sandalen.

Die Frauen sitzen in lockerer Haltung oder mit übergeschlagenen Beinen da, die Röcke schieben sich hoch, und unter den Tischen ist viel nacktes Bein zu sehen.

Zu viel, wie ich finde.

Wirkt nackte Haut professionell?

Die Männer und einige der Frauen signalisieren durch ihre Aufmachung Geschäftsatmosphäre und Professionalität. Zwischen ihnen sitzen dann die jungen und weniger jungen Frauen in Hemdchen, Flatterkleid, kurzer Hose. Man denkt bei ihrem Anblick eher an Strandpromenade und Spielplatz als an Business.

Während der Sitzung kommt es zu einer fachlichen Diskussion. Die Frau mit dem kurzen Spaghettiträgerkleid matcht sich mit einem der Männer, die Kollegin in den Shorts kommt ihr argumentativ zu Hilfe. Ich sehe, wie die Augen des Mannes von den langen Beinen der einen Frau und dem Dekolleté der anderen hin- und herwandern. Ob er sich auf die Argumente konzentrieren will, die sie vorbringen?

Die beiden Frauen wirken, obwohl rhetorisch gewandt und inhaltlich firm, durch ihre Aufmachung im Büro-Ambiente seltsam deplatziert und überdies schutz- und wehrlos.

Ich frage mich, ob nur ich das so sehe? Bin ich altmodisch? Was würden wohl außenstehende Beobachter:innen wahrnehmen, die, sagen wir, unsere Sprache nicht verstehen? Würden sie die Sitzungsteilnehmer:innen als als gleichrangige Expert:innen ansehen und ihnen gleich viel Kompetenz zuschreiben? Ich bezweifle es.

Sex-Appeal im Büro?

Ich bin sicher, dass keine der Sitzungsteilnehmerinnen die Absicht hat, ihren Sex-Appeal spielen zu lassen. Ich glaube vielmehr, dass sie den Diktaten der Mode folgen, die suggerieren, dass eine Frau tragen kann, was immer sie will – und wo immer sie will. Vielleicht finden einige der Frauen – ganz feministisch – auch, dass es ihr Recht ist, so freizügig einherzugehen, wie sie wollen, und trotzdem als Expert:innen ernst genommen zu werden. Dies wäre ja in der Tat wünschenswert, doch auch wenn es niemand mehr ausspricht, ist die Realität eine andere.

Nackte Haut zieht Blicke unweigerlich auf sich und lenkt von anderen Dingen ab. Dies ist im Sinne der Erhaltung der Spezies eine segensreiche Einrichtung der Natur. Im Berufsleben ist es jedoch hinderlich für beide Seiten. Der Mann ist angehalten, seine Impulse zu unterdrücken und muss sich bemühen, nicht hinzusehen. Die Frauen, die sich in ihrer Aufmachung vor allem ihre Weiblichkeit präsentieren, werden als geschlechtliche Wesen statt als Kolleginnen oder gar Vorgesetzte wahrgenommen. Auch wenn sie noch so viel Kluges sagen, werden sie weniger ernst genommen als andere, deren Kleidung unauffällig ist. Im Unterbewusstsein läuft das ganze archaische Programm ab, ob wir wollen oder nicht.

Man denke sich die Sache mal umgekehrt: Was würden wir von einem Mann halten, der der Hitze wegen mit bis zum Gürtel offenem Hemd mit langer Halskette an der behaarten (oder rasierten) Brust zum Meeting erscheint? 

Kleidung ist Rüstung

Kleidung vermittelt Status und Macht. Im Berufsleben ist Kleidung auch eine Art „Rüstung“. (Zu diesem Thema wird es demnächst einen ausführlichen Blog-Eintrag geben.) Niemand, und schon gar keine Frau, sollte der Mode willen freiwillig auf die Attribute von Macht und Standing verzichten.

Was soll frau im Sommer anziehen?

Früher war der Dresscode fürs Business sehr streng. So war es für Frauen in Büros auch an Hitzetagen ein Muss, Strümpfe zu tragen. Ärmellos war ein No-go, genauso wie offene Schuhe. Das waren zweifellos harte Regeln.

Heute geht es, mit Ausnahme von Dresscodes für höchstrangige Politikerinnen oder Vorsitzende internationaler Finanzorganisationen, definitiv legerer zu. Allein der Siegeszug der Sneakers, die gegenüber den Pumps immer mehr an – auch offiziellem – Terrain gewinnen, spricht Bände. Man sieht auf dem internationalen Parkett Etuikleider, wo früher ausnahmslos Kostüme oder Hosenanzüge die Szenerie beherrschten. Und eine gut geschnittene Bluse kann im Sommer schon mal den Blazer ersetzen.

Wir alle begrüßen, dass allzu steife Vorschriften gelockert werden. Was allerdings bleibt, ist das ungeschriebene Gesetz, dass im Fall von Sommerkleidung fürs Büro ein Mehr immer besser ist als ein Weniger. Je nach Position ist der informelle Dresscode ein bisschen anders, doch das Bedecken von Oberschenkeln und Schultern sollte bei jedem Outfit Standard sein. Es sollte nirgends Unterwäsche hervorlugen. Und wenn man sich setzt, sollte der Rock nicht allzu sehr hochrutschen. Das sind Basics.

Es gibt zum Thema Business Dresscode eine Reihe von Ratgebern. Vor allem jenen Frauen, die Karriere machen wollen, schadet es nicht, ein wenig darin zu schmökern. Man kann sich an erfolgreichen Business-Frauen in der Öffentlichkeit orientieren, insbesondere an konservativeren, da diese meist ganz genau wissen, was sie darstellen wollen, und es durch Kleidung ausdrücken.

Tipp der Mentorin:

Man soll, wie eigentlich immer im Berufsleben, stets das Image beachten, das man im Beruf vermitteln will. Auch wenn man privat im Sommer gerne luftig und sexy einhergeht, ist es im Job immer besser, möglichst angezogen zu bleiben. Und man sollte, wenn man das Outfit wählt, einen Begriff im Hinterkopf haben, der in Zeiten des Jugendwahns und des Mäderl-Looks ein wenig aus der Mode geraten ist, der aber immer noch eine gute Richtschnur für alle Lebenslagen darstellt: Würde. Strahle ich, auch in jungen Jahren, Würde aus, dann mache ich es richtig.