Feind – Todfeind – Parteifreund – so werden mitunter Beziehungen auf dem Minenfeld des politischen Parketts charakterisiert.

Auch im übrigen Berufsleben geht es nicht immer nur freundschaftlich zu, ganz im Gegenteil. Manchmal ähnelt das Berufsfeld einem Kriegsschauplatz.

Und so stellt sich die Frage, ob die in der Überschrift wiedergegebene Steigerungsfolge der Animosität und Niedertracht, die in zynischer Weise für Parteifreunde in der Politik geprägt wurde, auch für das Geschäftsleben Gültigkeit hat. 

Küsschen, Küsschen – und das Messer hinter dem Rücken

Kürzlich wohnte ich einer Sitzung bei, zu der Vertreter:innen dreier Organisationen zusammenkamen. Eine von mir sehr geschätzte Sitzungsteilnehmerin war erst kürzlich nach fast dreißig Jahren Betriebszugehörigkeit von einer dieser Organisationen zur anderen gewechselt. Sie hatte sich mit der neuen Chefin nicht arrangieren können, und ihr Abgang nach so langer Zeit hatte in der ganzen Branche hohe Wellen geschlagen. Nun kamen die beiden Damen zur erwähnten Sitzung wieder zusammen, und ich staunte nicht schlecht, als ich beobachtete, wie die ehemalige Mitarbeiterin ihre Ex-Chefin, die sie vor kurzer Zeit noch des üblen Mobbings bezichtigt hatte, mit Wangenküsschen begrüßte.

Im Verlauf der Sitzung spielte dann diese Ex-Mitarbeiterin, die nun für ihre neue Organisation am Tisch saß, gegenüber ihrer ehemaligen Chefin sämtliche Karten aus, die sie zur Verfügung hatte – und es waren nicht wenige. Die ehemalige Chefin musste mehrere Niederlagen einstecken und schließlich Abschlüssen zustimmen, die eindeutig zu ihren Ungunsten waren. Doch auch wenn sie innerlich kochte, ließ sie sich nicht das Geringste anmerken.

Neid muss man sich verdienen

Einer meiner frühen Chefs, der eine hohe Position innehatte, wies einmal während eines Mittagessens mit mir auf einen Mann, der eben mit einer überfreundlichen Begrüßung, ja fast schon einer Verbeugung, an unserem Tisch vorbeigegangen war, und sagte amüsiert: „Der sägt an meinem Sessel, ha, ha, ha.“ Dabei klang er so, als hätte er einen Lausbuben bei einem Streich erwischt. Es war offensichtlich, dass er sich weder Sorgen machte noch auch nur im Geringsten beleidigt war. Er hegte auch keinen heimlichen Groll gegen den Möchte-Gerne-Konkurrenten, sondern stand souverän darüber.

Ein anderer Chef hielt es etwas allgemeiner. Angesichts einer fiesen Aktion eines Konkurrenten rieb er sich die Hände und bemerkte grinsend: „Nun, Neid muss man sich auch erst mal verdienen.“

„Soll man es sportlich sehen?“

„Man muss das sportlich sehen“, sagte mir wiederum ein Kollege, als ich gegen einen Konkurrenten, der auf unlautere Weise einen Wettbewerb gewonnen hatte, tobte. „Dieses Mal sitzt er am längeren Ast, beim nächsten Mal sind es wieder wir.“

Seine Worte taten ihre Wirkung. Ab diesem Tag löschte ich Begriffe wie „unfair“, „ungerecht“, „falsche Schlange“ (bezogen auf ein Jurymitglied, das gegen unser Projekt gestimmt hatte, und mir nun wortreich ihr Bedauern über unser Ausscheiden kundtat) aus meinem gedanklichen Vokabular.

Das Grollen, so wurde mir klar, vergiftet nur die Seele vergiftet und bremst den Tatendrang, schadet also ausschließlich mir selbst. Das Geschäftsleben ist keine Schmuseecke, ich hab’s schon öfters gesagt. Ich nahm mir vor, von nun an ein wenig härter im Nehmen – und im Austeilen – zu sein.

Man muss nicht von allen geliebt werden

Manchmal stehen die eigene Freundlichkeit oder eine gewisse Harmoniesucht dem Durchsetzungsfähigkeit im Wege. Doch weder Kolleg:innen noch Vorgesetzte und schon gar nicht die Mitarbeiter:innen müssen einen besonders liebhaben, das sollte einem klar sein. Es reicht, wenn sie alle ihre Arbeit ordentlich tun.

Wir müssen auch nicht immer zuvorkommend zueinander sein und brauchen beispielsweise einem Konkurrenten/einer Konkurrentin nicht freiwillig den Vortritt zu lassen. Auch mit der Fairness muss man es nicht so weit treiben wie unser Tennisprofi Dominic Thiem, der bekannt dafür ist, dass er der Fairness zuliebe Entscheidungen des Schiedsrichters überstimmt – zu seinem Nachteil. Man sollte den Elfmeter, den der Schiedsrichter irrtümlich zu unseren Gunsten gepfiffen hat, annehmen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, denn das nächste Mal passiert es eh wieder uns.

Das Geschäftsleben ist ein Ort, der von Konkurrenz bestimmt oder zumindest durchzogen ist, wo Interessen verhandelt werden und nicht Gefühle, und wo es mitunter entsprechend rau zugeht. Punktum.

Besser Kampfgeist als gekränkt sein

Ich habe, auch wenn es mich einiges an Lehrgeld kostete, mittlerweile gelernt, dass es befriedigender ist, Kampfgeist über Gekränktheit siegen zu lassen und zum Angriff überzugehen, statt mich beleidigt zurückzuziehen. Ich habe auch gelernt, kühlen Kopf zu bewahren und mich in heiklen Situationen zu fragen, welche Lösung meinen Interessen am ehesten entspräche, und diese dann anzupeilen. Ich stecke nicht mehr zurück, nur um keine Sympathien zu verlieren. Ich poche auch nicht mehr auf etwas, nur um recht zu behalten oder der Gerechtigkeit Genüge zu tun, ich sehe lieber zu, wie ich das Ergebnis zustande bringe, das ich mir wünsche.

Im Übrigen verliert man selten Sympathien, wenn man den fairen (oder auch weniger fairen) Kampf aufnimmt, denn man tut ja schließlich nur etwas, was im Geschäftsleben ohnehin erwartet wird. Respekt verschafft man sich damit allemal.

Neid, Missgunst und Intrigen

Wie halte ich es nun persönlich im Umgang mit Menschen, die mir hinter ihrem freundlichen Gehabe mit Neid und Missgunst begegnen und hinterrücks gegen mich intrigieren?

Nun, auch ich habe gelernt, Theater zu spielen, mich so sachlich und neutral wie möglich zu geben und so zu tun, als berührten mich ihre Umtriebe nicht. Auch ich begrüße diese Menschen weiterhin mit Küsschen, wenn dies in dem betreffenden Milieu allgemeiner Usus ist. Innerlich gehe ich natürlich auf Distanz und bleibe sehr wachsam. Und nie würde ich auf die Idee kommen, auch nur eine Minute meiner privaten Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir nicht wohlgesonnen sind, und denen ich nicht vertrauen kann.

Im Arbeitsleben kann man sich seine Gesellschaft nicht aussuchen, doch man muss trotzdem mit ihr auskommen. Letztlich geht es immer um Vorteile für einen selbst und/oder für die eigene Firma. Daher muss man im Geschäftsleben mehr einstecken als im Privaten. Dafür darf man dort, so finde nicht nur ich, auch ruhig ohne übertriebene Skrupel um einiges mehr austeilen.