Viele wollen Karriere machen und strengen sich weiß Gott sehr dafür an. Kommen sie dann in eine Führungsposition, warten jedoch mitunter Überraschungen auf sie, mit denen sie nicht gerechnet haben.

Bevor ich meinen akademischen Grad erwarb und in eine Führungsposition aufrückte, hatte ich einige Jahre lang als Sekretärin und Assistentin gearbeitet. In diesen Positionen war ich eine überaus geschätzte Kollegin und Mitarbeiterin gewesen. Ich war interessiert, einsatzbereit, dachte mit, und war bereit, für die Anliegen der jeweiligen Chefs, für die ich arbeitete, Verantwortung zu übernehmen. Alle rechneten mir dies hoch an. Man streute mir Rosen, und schrieb mir Dienstzeugnisse, die wahren Lobeshymnen glichen.

Von der Mitarbeiterin zur Konkurrentin

Das Verhalten meiner beruflichen Umwelt drehte sich quasi um 180 Grad als ich mein Studium beendet hatte. Von nun an war ich keine Zuarbeiterin mehr, sondern befand mich auf einem eigenständigen Karrierepfad.  

Zuerst fiel mir auf, dass nun allem, was ich sagte, viel mehr Gewicht beigemessen wurde – auch wenn ich genau dasselbe sagte wie vorher. Das fühlte sich zunächst gut an. Doch es hatte auch seine Schattenseiten. Waren meine Einwände vorher als charmante Hilfestellung einer wohlwollenden Sekretärin/Assistentin willkommen gewesen, klangen sie nun in den Ohren der Adressaten ganz anders. Nun wurde, was ich sagte, als Kritik oder als Anordnung wahrgenommen, und entsprechend waren die Reaktionen darauf. Keine Rosen gab es mehr für mich, sondern Misstrauen, Widerstand und bald auch die üblichen fiesen Tricks – vom Vorenthalten von Information bis hin zu Intrige und übler Nachrede. Ich war von einer geschätzten Zuarbeiterin zu einer Konkurrentin geworden, stellte als solche wie alle Konkurrent:innen eine latente Gefahr dar, und wurde entsprechend behandelt.

Dieselben, die mich vorher über den grünen Klee gelobt hatten, beäugten mich nunmehr mit Argusaugen, warteten auf jeden Fehler, der mir unterlaufen würde, und stellten mir ein Bein, wo immer es möglich war. Mit Kritik waren sie nicht sparsam, und das Wörtchen „zu“ kam fast immer darin vor. Ich war wahlweise „zu“ bestimmt und „zu“ ehrgeizig“, „zu“ hart oder „zu“ weich, und so weiter, und so fort.

Der Preis des Aufstiegs

Natürlich war ich anfangs konsterniert und auch ein wenig verunsichert, doch meine Frau Coach riet mir einmal mehr, es nicht persönlich zu nehmen. „Es zielt auf Ihre Position, nicht auf Ihre Person“, sagte sie. „Je höher Sie aufsteigen, umso mehr Leute wird es geben, die an ihrem Sessel sägen. Der Ton wird oft sehr schrill sein, doch es ist nichts anderes als die alltägliche Begleitmusik des Erfolgs.“

Mit der Zeit fand ich mich damit ab. Als kürzlich eine meiner jungen Mitarbeiterinnen, von der ich viel halte, zur Abteilungsleiterin befördert wurde, beobachtete ich mit Interesse, wie sich das klassische Muster in ihrer Abteilung wiederholte. 

Die Mitarbeiter:innen, die eben noch Kolleg:innen gewesen waren, empfanden jede Anordnung ihrer neuen Chefin, wenngleich sie inhaltlich gerechtfertigt war, als Zumutung. Bei jeder Gelegenheit setzten sie auf leisen oder lauten Widerstand. Sie suchten bei ihrer neuen Vorgesetzten akribisch nach Fehlern, rieben ihr unter die Nase, dass ihr Vorgänger (mit dem sie natürlich auch die üblichen Konflikte gehabt hatten), um vieles “besser” gewesen sei, und versuchen auf alle möglichen Arten, sie in ihre alte Rolle als Kollegin „zurückzuholen“. Sie kamen auch zu mir, der übergeordneten Vorgesetzten, um sich über die “schroffe”, “unfreundliche”, “herrische” etc. Art ihrer neuen Chefin zu beschweren. Wenig verwunderlich, dass sich dabei jene besonders engagieren, die schon länger in der Abteilung arbeiten und selbst auf den Aufstieg in die höhere Position gehofft hatten.

Die junge Abteilungsleiterin war geschockt und enttäuscht, da sie, genau wie ich einst, immer darauf bedacht war, es gut und allen recht zu machen und dafür gelobt und geliebt zu werden. Willkommen in der Business-Welt! sagte ich trocken zu ihr und versuchte sie mit zweierlei Erkenntnissen zu trösten. Zum einen wird es, so prophezeite ich, nur eine Frage von kurzer Zeit sein, bis sie von ihren früheren Kolleg:innen, deren Vorgesetzte sie heute ist, auch als solche anerkannt werden würde. Zum anderen solle sie sich an den rauen Wind gewöhnen, denn er ist der Preis für den Erfolg.

Solche Erfahrungen machen die meisten, die beruflich aufsteigen, und Chefs und Chefinnen, die intern aufsteigen, haben es noch schwerer als Führungskräfte, die von außen ins Unternehmen kommen. Man erlebt sie ausschließlich als Vorgesetzte und ist daher eher gewillt, sie in ihrer Rolle zu akzeptieren.

Virtuelle Ohrenschützer und ein dickes Fell

Je höher die Sphären, desto dünner wird die Luft. Die Posten werden weniger, während jene, die ihre Hände nach den wenigen Posten ausstrecken, mehr werden. Diejenigen, die aktuell in der begehrten Position sind, sind ein natürliches Hindernis für all jene, die dorthin wollen. Es wird immer welche geben, die mit allen Mitteln versuchen, das “Hindernis” zu beseitigen und zu ihrem Ziel zu kommen.

Am besten ist es, sich ein dickes Fell zuzulegen und die schrillen Töne an sich abprallen zu lassen wie den Verkehrslärm vor dem Bürofenster. Oder sie, wenn man genügend Humor hat, mit Vergnügen wahrzunehmen und als Beweis für den eigenen Erfolg anzusehen.