In meinem Unternehmen möchte ich meinen Mitarbeiter:innen diese Erkenntnisse, die für mich bahnbrechend gewesen waren, zugänglich machen und biete ein Seminar zum Thema “Business Styling” an. Ich engagiere die Beraterin, die mich einst auf die richtige Spur gebracht hat. Sie hält einen interessanten Vortrag über die Grundlagen des Dresscodes im Berufsleben.

Interessante Details

Die Teilnahme ist natürlich freiwillig, und wie nicht anders zu erwarten, sitzen jene Mitarbeiterinnen in den ersten Reihen, die ohnehin meist passend gekleidet sind. Wir erfahren von der Vortragenden allerlei wissenswerte Details zum Thema Business-Kleidung. Sie veranschaulicht durch aussagekräftige Bilder von Prominenten, dass nicht nur Anzug und Kostüm Prestige vermitteln, sondern auch bestimmte Farbkombinationen bzw. Farbkontraste, ferner Maßschuhe, Uhren und Schmuck. Eine Krawatte bei den Männern stehe für Kehlschutz, hören wir. Eine kurze Kette, am besten aus Perlen, erfülle bei Frauen denselben Zweck, während eine lange Kette, die zum Bauchnabel weist, eher dazu angetan ist, erotische Phantasien aufkommen zu lassen. Ein Chanel-Kostüm sei passend für eine „Gattin“, nicht aber für eine Frau in einer beruflichen Führungsposition. Lange, bunt bemalte Fingernägel seien für Führungskräfte ein Schwachpunkt, während kurze, rot lackierte Nägel Macht ausstrahlten. Starke Schminke, Glitzersachen, billiger Schmuck und überhaupt jeglicher Klimbim seien für Frauen, die den beruflichen Aufstieg anstreben, tabu. Blazer in Schwarz, Dunkelblau oder Grau sind hingegen in vielen Branchen dringend empfohlen oder gar ein Muss. Die Kleidung solle gut geschnitten sein und locker sitzen, sodass sie im Stehen und im Sitzen gut aussieht. Zu enge Kleidung ziehe den Blick entweder auf den makellosen oder nicht so makellosen Körper und lenke im Berufsleben auf jeden Fall von Wesentlichen ab. Strümpfe und Sandalen gehören niemals zusammen. Die Business-Tasche solle eine Größe haben, die es ermöglicht, Papiere im A4-Format zu verstauen und überdies so designt sein, dass man sie neben sich auf den Boden stellen kann, ohne dass sie in sich zusammenfällt. Sogar über die richtigen Saumlängen von Röcken und Sakkos wurde gesprochen, und über vieles mehr.

Die Signalwirkung von Farben und Accessoires

Anhand der Business-Uniformen von Angela Merkel – stets maßgeschneiderte Hose und ebensolches Sakko – demonstriert die Expertin, wie man auch mit hoch formeller Business-Kleidung sein Outfit farblich variieren kann, und mehr noch: sie erläutert die Signalwirkung bestimmter Farben. Rosa stimmt milde, Rot wirkt kämpferisch, Grau und Schwarz ernsthaft oder besorgt. Die englische Queen, die ja politisch nicht viel sagen durfte, setzte mit Kleidung und Accessoires Signale – zum Beispiel, als sie, während die Brexit-Verhandlungen im Gange waren, eine an die EU-Fahne gemahnende Kopfbedeckung trug, oder als sie bedeutungsvolle Broschen einsetzte, mit denen sie einem ungehobelten Staatsgast aus den USA ihr Missfallen ausdrückte.

Branchengerechte Kleidung

Es versteht sich von selber, dass man sich branchengerecht kleiden sollte, also als Banker:in oder Steuerberater:in konservativ und nicht á la Avantgarde, und als Angehöriger einer Kreativbranche eher ausgefallen-individuell, und nicht in Nadelstreif und Krawatte. In manchen Dienstleistungsbranchen, etwa im sozialen Bereich, ist es wohl ratsam, sich, was die Aufmachung betrifft, nicht allzu stark von der Kundschaft zu unterscheiden. Überall wirken Dresscodes. Auch das Alter spielt bei der Wahl der Kleidung eine wichtige Rolle und natürlich die Position. Interessant ist der Rat der Expert:innen an aufstiegsorientierte Männer und Frauen, dass sie sich nicht ihrer derzeitigen Position gemäß kleiden sollten, sondern entsprechend der Stellung, die sie anstreben, weil man mit einer bestimmten Kleidung auch eine Haltung einübe.

Kleidung vermittelt Dazugehören

Viele Unternehmen haben einen Dresscode, dem Mitarbeiter:innen folgen müssen. Aber auch wenn es, wie in meinem Unternehmen, keine ausdrücklichen Kleidungsvorschriften gibt, kann man seine Zugehörig zur Firma oder zur Branche auch durch Kleidung zum Ausdruck bringen. Vor diesem Hintergrund bleibt es unserer Phantasie überlassen zu erspüren, was Mitarbeiter, die vorgeblich auf den Dresscode pfeifen und in Jeans und T-Shirt zum feierlichen Firmenjubiläum kommen, uns mit ihrem Look mitteilen wollen. Als sicher kann gelten, dass einem ein solcher Mitarbeiter nicht einfallen wird, wenn es eine Führungsposition zu besetzen gilt.

Sich beraten lassen

Ich habe die Beobachtung gemacht, dass Menschen, die bürgerlichen oder konservativen Kreisen entstammen, die Sprache der Aufmachung und ihre Machtwirkung besser verstehen und einzusetzen wissen als Leute wie ich, die aus einem einfachen Milieu kommen und womöglich noch dazu in den 1970er Jahren in einer wissensbasierten oder kreativen Branche sozialisiert worden sind. Gerade für unsereine/n macht sich daher die Beschäftigung mit dem Thema Dresscode ganz besonders bezahlt.

Heute gibt es im Internet zahllose Videos, in denen man sich über Dresscodes und deren Details kundig machen kann. Auch zur dahinterliegenden Psychologie gibt es interessante Kurse. Natürlich ist es auch nicht falsch, sich individuell beraten zu lassen, um Schnitt-Varianten oder farbliche Spielräume, die man auch bei der Business Kleidung hat, möglichst vorteilhaft für sich zu nutzen.