Das Bewerbungsgespräch

Im Idealfall kommt es in der Folge eines Bewerbungsschreibens zu einem Bewerbungsgespräch.

Während das Bewerbungsschreiben und die beigefügten Dokumente über Qualifikationen und berufliche Stationen Auskunft geben, liefert das Bewerbungsgespräch vor allem Informationen über das Auftreten und die Persönlichkeit der Bewerber:innen.

Ein Bewerbungsgespräch ist immer eine heikle Sache. Man muss schließlich sich selbst präsentieren und das so vorteilhaft wie möglich. Es ist ein bisschen wie eine Prüfungssituation, nur dass man dazu nicht nur sein Wissen, sondern auch noch sich selbst in die Waagschale werfen muss.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der in einer solchen Situation nicht zumindest ein bisschen aufgeregt ist. Sich dies einzugestehen ist bereits ein Schritt zur inneren Beruhigung.

Die Mentorin berichtet

Die formalen Qualifikationen eines Bewerbers/einer Bewerberin müssen schon mal stimmen, denn sonst wird er/sie gar nicht zum Gespräch eingeladen. Bei der weiteren Beurteilung schwingen jedoch sogleich soziale und auch persönliche Faktoren mit. Passt er/sie ins Team? Traue ich ihm/ihr Führungsqualitäten zu? Werden Kund:innen ihn/sie kompetent finden? Und so weiter. Nicht zuletzt spielt auch die Frage persönlicher Sympathie eine nicht unbedeutende Rolle. Besonders letzteres kann ein/e Bewerber:in nur bis zu einem bestimmten Grad beeinflussen.

Was jedoch immer und uneingeschränkt gilt, ist: Der erste Eindruck entscheidet. Und zwar mehr als jedem und jeder von uns bewusst ist.

Der erste Eindruck zählt

Die Aufmachung, der Blick, die Körperhaltung, der Händedruck, die Stimme, die ersten Worte, die jemand spricht, ergeben in Bruchteilen von Sekunden ein Gesamtbild, das das Gegenüber in sich aufnimmt und in seinem Unterbewusstsein verarbeitet. Wie wir jemanden einschätzen, entscheidet sich in ebendieser minimalen Zeitspanne. Auch die äußeren Umstände der ersten Begegnung tragen zur Einschätzung von Bewerber:innen bei.

Also ist den ersten Momenten der Begegnung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Was sollten Bewerber:innen tun, was sollten sie vermeiden?

No-gos:

Wahrscheinlich steht in keinem Ratgeber, dass man nicht Kaugummi kauend oder mit ausgeprägter Alkohol- bzw. Tabakfahne bei dem Bewerbungsgespräch erscheinen soll, weil es sich eigentlich von selbst versteht. Dennoch tauchen gelegentlich Bewerber:innen auf, an denen man riechen kann, dass sie sich  kurz vor dem Termin ein Mut-Schlückchen oder eine Zigarette gegen die Nervosität gegönnt haben. Tut man als Bewerber:in so etwas, dann muss man sich dessen bewusst sein, dass dies wahrgenommen und eher negativ bewertet wird. Besser ist es, eine etwaige Nervosität kurz anzusprechen, denn dann geht sie meistens von selber weg.

Pünktlichkeit:

Dass man pünktlich zu dem Gespräch erscheint, sollte eigentlich keiner Erwähnung bedürfen. Irrtümlich in die falsche U-Bahn einzusteigen, oder keinen Parkplatz in der Nähe zu finden sind keine annehmbaren Entschuldigungsgründe fürs Zuspätkommen. Ist einem der Job wirklich wichtig, dann kommt man eher ein bisschen zu früh und überbrückt die Zeit irgendwo in der Nähe vor Ort. Generell empfiehlt es sich, einen Zeitpuffer einzubauen. In manchem Firmen muss man sich beim Empfang anmelden und bekommt gegen Vorzeigen eines Ausweises einen Passierschein. Oder man muss in ein oberes Stockwerk fahren und wartet eine Zeitlang auf den Lift. Und so weiter. All diese Möglichkeiten sollten einkalkuliert werden.

Manchmal müssen Bewerber:innen in einem Warteraum Platz nehmen, bevor sie zum Gespräch gebeten werden. Es ist zwar in den seltensten Fällen davon auszugehen, dass in diesem Raum eine versteckte Kamera angebracht ist. Dennoch sollte man sich, auch wenn man sich unbeobachtet wähnt, so verhalten, dass man jederzeit präsentabel bleibt.

Gute Manieren zeigen:

Man sollte bei einem Bewerbungsgespräch seine besten Manieren an den Tag legen. Bei der Begrüßung ein wenig lächeln, dem Gegenüber in die Augen schauen, dem Blick für ein paar Momente standhalten. Dann ein fester Händedruck (das kann man, wenn man zu laschem oder halbherzigem Händedrücken neigt, üben), denn dieser entscheidet weitaus öfter als man gemeinhin annimmt, über das weitere Schicksal einer Bewerberin/eines Bewerbers. Blickkontakt mit dem Gegenüber halten, freundliches Interesse zeigen, das Gegenüber ausreden lassen, nicht ins Wort fallen. Sitzen einem beim Bewerbungsgespräch mehrere Personen gegenüber, dann sollte man den Blick immer wieder auch auf jene richten, die keine dominante Rolle im Gespräch einnehmen. Das lockert die „Prüfungssituation“ ein wenig auf und ist überdies ein Zeichen für Souveränität und für die Fähigkeit, Menschen einzubeziehen.

Körpersprache:

Hinlänglich bekannt ist, wie sehr Körpersprache wirkt, oft mehr als das gesprochene Wort. Hier ist Bewusstsein für den eigenen Körper und dessen Signale hilfreich – nicht zuletzt um bestimmte Ticks wie das wiederholte Nesteln an der Kleidung zu vermeiden, vor allem aber, um Selbstsicherheit auszustrahlen. Bewusstsein für das eigene Auftreten kann man sich aber nicht „im letzten Moment“ antrainieren. Bestimmte Gesten, wie in Präsentationsseminaren zuweilen gelehrt, wirken, wenn sie nicht authentisch sind und zur Person passen, künstlich und kommen nicht gut an.

Ausdrucksweise:

In der Ausdrucksweise empfiehlt es sich, lieber etwas formaler zu bleiben als im Alltag und Dialektausdrücke oder flapsige „Sager“ zu vermeiden. Auch die allzu häufige Verwendung von Füll- oder Überbrückungswörtern („sozusagen“) sollte man sich besser abtrainieren – und nicht nur für Bewerbungsgespräche.

Kleidung:

Wie wichtig Kleidung und Aufmachung sein können, habe ich erst kürzlich wieder erlebt, als wir einer von zwei, in punkto Qualifikation gleichwertigen, Bewerberinnen für unser Chefsekretariat den Vorzug gegeben haben, weil sie in Businesskleidung erschienen ist, während die andere eher leger daherkam. Durch formale Kleidung kann man Ernsthaftigkeit und Respekt vor der Aufgabe zum Ausdruck bringen.

Es ist durchaus sinnvoll, sich für ein Bewerbungsgespräch über die branchenüblichen Kleidungsstandards kundig zu machen und seine Aufmachung entsprechend zu gestalten. Niemand sollte im Maßanzug daherkommen, wenn er/sie sich für eine Stelle in einem Sozialverein, einer Kinderbetreuungseinrichtung oder als Hausarbeiter bewirbt, und umgekehrt sollte man eher nicht Jeans und T-Shirt erscheinen, wenn man eine Stelle als Abteilungsleiter einer Versicherung haben möchte. Als Faustregel kann gelten, dass man sich für ein Bewerbungsgespräch ähnlich kleiden sollte wie es für die Stelle passend ist, nur um eine Nuance formeller.

In einer Stresssituation richtig angezogen zu sein ist nicht nur für den äußeren Eindruck, sondern auch für ein gutes Selbstgefühl der Bewerber:innen von Vorteil. Man sollte nicht „underdressed“ sein, weil man sich damit selber kleiner macht, man sollte sich aber auch nicht zu sehr verkleiden. Wenn man zum Vorstellungsgespräch etwas Neues in ungewohntem Stil tragen will, ist es ratsam, es bereits ein paar Tage zuvor zu Hause zur Probe anzuziehen.

Hilfreich ist es auch, sich vor einem Bewerbungsgespräch kritisch im Spiegel zu betrachten, zu versuchen, sich selbst mit den Augen anderer zu betrachten, und sich zu fragen, ob man tatsächlich den Eindruck vermittelt, den man beabsichtigt. So in der Art: Sehe ich aus wie die Führungskraft, die ich sein will?

Fragen der Personalverantwortlichen

Auf Fragen sollte man klar und verständlich antworten. Wenn man gefragt wird, warum man ausgerechnet in dieser Firma arbeiten möchte, sollte man eine Antwort vorbereitet haben. Entweder verfügt man über Branchenkenntnisse, oder man gibt zu erkennen, dass man sich über das Unternehmen und dessen geschäftliches Umfeld kundig gemacht hat, und kann sagen, was man daran attraktiv findet. Dies mag, wenn man sich an vielen Stellen bewerben muss, einiges an Aufwand bedeuten, ist aber in Zeiten des Internets besser möglich denn je.

Wie ehrlich muss man antworten?

Grundsätzlich sollte man, schon in eigenem Interesse, mit den Antworten möglichst nahe an der Wahrheit bleiben. Es gibt allerdings durchaus Graubereiche.

Fragt die/der Personalverantwortliche, warum man öfters die Arbeitsstelle gewechselt hat oder warum man gerade jetzt “auf dem Markt” ist, sollte man schlüssige Antworten parat haben. Wie offen man dabei ist, bleibt einem selbst überlassen. Persönliche Gründe für einen Job-Wechsel muss man, wenn sie heikel sind (wie etwa ein Konflikt mit einem früheren Vorgesetzten) nicht angeben.

Ist man im letzten Unternehmen einer Rationalisierungswelle zum Opfer gefallen, dann ist Offenheit wahrscheinlich angebracht, weil man davon ausgehen kann, dass Personalverantwortliche die Verhältnisse in ihrer Branche und am Arbeitsmarkt für gewöhnlich gut kennen und ohnehin wissen, was Sache ist.

Wie ehrlich man in einem Bewerbungsgespräch hinsichtlich seines Familienstandes (zB. schwanger oder nicht?) ist, mag von der Situation abhängen. Das Recht, bestimmte Fakten zu verschweigen, ist arbeitsrechtlich geregelt.

Die Frage nach den Schwächen

Oft wird Bewerber:innen die Frage nach persönlichen Schwächen gestellt. Ich persönlich stelle diese Frage nie, da die Antwort selten aussagekräftig ist. Man sollte sich aber auf diese Frage vorbereiten und eine Antwort überlegen, die auf die Erfordernisse des Jobs bezogen ist. Sieht man sich zB selbst als Pedantin, dann ist diese „Schwäche“ in Wirklichkeit eine Stärke, wenn es eine Stelle als Buchhalterin ist, für die man sich bewirbt.

Es ist sinnvoll, ein Gespräch über „Schwächen“ so rasch wie möglich auf Eigenschaften und Qualifikationen zu lenken, die für die angepeilte Stelle erforderlich sind, und den Mehrwert zu skizzieren, den die Firma durch die Anstellung zu erwarten hat. Zum Beispiel so: „Ich habe zwar Schwierigkeiten, meinen Schreibtisch in Ordnung zu halten, habe aber, wie sich schon oft gezeigt hat, immer wieder kreative Ideen, die der Firma weiterhelfen.“

Zum Grad der Offenheit sei gesagt, dass bei mir persönlich Bewerber:innen mit ehrlichen Antworten immer punkten. Eine Bewerberin, die aus einem internationalen Konzern aussteigen will, weil sie keine fünfzehn unbezahlten Überstunden pro Woche mehr machen will, trifft bei mir ebenso auf Verständnis wie eine, die erklärt, dass sie mit knapp fünfzig Jahren nicht mehr die Nerven für die Werbebranche hat und etwas Ruhigeres sucht. Ich habe immer Bewerber:innen vorgezogen, die von Anfang an ihre Karten auf den Tisch gelegt haben, und habe mit ihnen als Mitarbeiter:innen später gute Erfahrungen gemacht.

Haben Sie noch Fragen?

Meistens wird am Ende des Gesprächs gefragt, ob der/die Bewerber:in selbst noch eine Frage hat. Es ist ratsam, sich zwei oder drei Fragen im Vorfeld zu überlegen, denn jemand, der nichts fragt, wird rasch als uninteressiert abgestempelt. Die Fragen sollten das Unternehmen, das Arbeitsfeld oder auch die Arbeitszeiten betreffen. Keinesfalls sollte man bei einem ersten Bewerbungsgespräch Themen wie Gehalt, Urlaub oder betriebliche Sozialleistungen ansprechen.

Ratgeber und Bewerbungstrainings

Auch für Bewerbungsgespräche gibt es haufenweise Ratgeberliteratur. Man sollte sich aber solche Bücher, Broschüren oder Internetseiten keinesfalls erst einen Tag vor dem Gespräch rasch „reinziehen“, da die Fülle von Ratschlägen kurzfristig womöglich zu Verwirrung und Unsicherheit führt. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der Dynamik von Bewerbungsgesprächen ist jedoch in Zeiten, da die Wahrscheinlichkeit, sich öfters im Leben bewerben zu müssen hoch ist, auf alle Fälle ratsam. In diesem Zusammenhang ist auch ein professionelles Bewerbungstraining bei einem Coach oder bei einer dafür spezialisierten Organisation wahrscheinlich eine gute Investition in die eigene Zukunft.